Kurt Eisner
Kulturstiftung
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Pressespiegel

Süddeutsche Zeitung Nr. 42 Seite 5, Politik. Montag, 21.02.05

Kurt Eisner, der Rabauke

Salzburger Gericht ermittelt gegen den 1919 ermordeten Pazifisten wegen Sachbeschädigung

Es ist nicht ganz klar, ob Birgit Berneder, promovierte Juristin und Richterin am Landesgericht Salzburg, ein ausgeprägtes historisches Interesse hat. In einem Schreiben vom 30. November 2004 bat sie das Münchner Amtsgericht um "Ausforschung und Einvernahme von Wolfram Kastner und Kurt Eisner". Gegen beide laufe ein Verfahren wegen schwerer Sachbeschädigung. Die Juristin grüßte mit dem Ausdruck vorzüglicher Hochachtung; der vorgesetzte Landesgerichtspräsident ließ das Schreiben in seinem Büro stempeln: "Geprüft, Salzburg, 17. Dezember 2004."

Den Verdächtigen Eisner und Kastner wirft die Richterin eine Straftat auf dem Salzburger Friedhof vor: Sie hätten am 1. November 2004 mehrere Schleifen von Kränzen der "Kameradschaft IV" abgeschnitten und zu einem anderen Kranz gelegt, der an Widerstandskämpfer und Deserteure erinnerte, welche von der SS ermordet wurden. Am Tatort habe man Flugblätter einer "Kurt-Eisner-Kulturstiftung" gefunden, auf denen Name und Adresse Kastners standen. "Der Schaden an den Kränzen. der Kameradschaft IV wurde von deren Obmann mit 10 bis 20 Euro beziffert", schreibt Berneder.

Nun wäre es durchaus interesant, was Kurt Eisner der österreichischen Richtein zu sagen hätte. Vielleicht könnte der Pazifist ihr erklären, dass die "Kameradschaft IV" in Salzburg seit 1954 regelmäßig ihrer "gefallenen Kameraden der Waffen-SS'' gedenkt. Vielleicht würde er sie auch dazu bewegen, mit den Mitteln des Rechtsstaats gegen alte und neue Nazis vorzugehen. Doch den Verdächtigen wird die Richt erin ohne Kontakt ins Jenseits nicht vernehmen können: Der Revolutionär Kurt Eisner, der im November 1918 den Freistaat Bayern ausrief und erster Ministerpräsident in demokratischen Zeiten war, wurde am 21. Februar . 1919 in München vom rechtsradikalen Graf Arco ermordet. Gegen Arco ermittelte damals ebenfalls die Justiz; der Mörder wurde nach vier Jahren ehrenvoller "Festungshaft" entlassen. Arco habe "aus glühender Liebe zum Vaterland" gehandelt, urteilte der Richter. Man ineressierte sich damals eher wenig für rechtsradikale Täter.

Die Kurt-Eisner-Kulturstiftung jedenfalls erinnert mit Preisen und Stipendien an den 1867 geborenen Berliner, der Schriftsteller und Politiker gleichermaßen war und sich stets gegen nationalistische Kriegstreiber wandte. Der zweite Verdächtige Wolfram Kastner, ein politisch engagierter Münchner Künstler und Vorsitzender der Stiftung, wird den Salzburger Justizbehörden nun die Adresse von Eisners Grab mitteilen: Garchinger Straße 37, der Neue jüdische Friedhof in München. Dorthin ließen die Nationalsozialisten Eisners Urne bringen, denn der Jude Eisner durfte nach ihrer Ansicht nicht auf dem Ostfriedhof liegen..

Vielleicht hält sich dann die österreichische Justiz mit Rechtshilfeersuchen zurück.

Felix Berth

Süddeutsche Zeitung Nr. 42 Seite 5, Politik. Montag, 21.02.05






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