Kurt Eisner
Kulturstiftung
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Pressespiegel

Münchner Applaus, 3/1990, Seite 56, Kunstkolumne

Vor genau einem Jahr, zum siebzigsten Todestag ihres Namensgebers, konstituierte sich die Kurt-Eisner-Kulturstiftung. Zwanzig Münchner Künstler bauten in Gestalt von Graphiken dafür den Grundstock. Es entstand die Mappe "Die Freiheit erhebt ihr Haupt - Kurt Eisner zum Gedächtnis" (Kostenpunkt gegenwärtig DM 8000,-). Die Präambel zur Satzung dieser originellen Stiftung, der kein Kapital, dafür eine Idee zugrundeliegt, nun nachzuliefern, geschieht aus zwei Gründen. Zum einen hat die Stadt München mittlerweile nachgezogen und Kurt Eisner eine Art Denkmal hinterhergeschickt, es sollte doch nicht in Vergessenheit geraten, daß dieser kulturellen Tat die Aktivitäten einiger Künstler vorausgingen. Zum anderen wird die Stiftung in absehbarer Zeit zum ersten Mal ihren Preis verleihen; die dezidierte ästhetische Äußerung, die sich mit dezidiertem politischen Engagement verbindet, soll ihn verdienen.

Präambel

Vor 70 Jahren, in der Nacht zum 8. November 1918, verlieh Kurt Eisner der überwiegenden Stimmung der Bevölkerung Bayerns Ausdruck und erklärte in einem Aufruf "Bayern ist fortan ein Freistaat".

Kurt Eisner, sozialistischer Politiker, Journalist und Schriftsteller, der für seinen Pazifismus in Wort und Tat im Kerker saß, wurde zum Ministerpräsidenten der Revolutionsregierung des Freistaates. Über seine Regierungszeit sagte Heinrich Mann: "Die hundert Tage der Regierung Kurt Eisners haben mehr Ideen, mehr Freuden der Vernunft, mehr Belebung der Geister gebracht als die fünfzig Jahre vorher". Als bisher einziger bayerischer Ministerpräsident hielt er im Parlament 1919 eine Rede zur Kunst und versuchte den Gegensatz zwischen Politik und Kunst zu überbrücken.

In seiner Person vereinte er beides und bemerkte: "Ich bin mir darüber nicht im mindesten im Zweifel, ein deutscher Staatsmann, der im Verdacht steht, ein Gedicht machen zu können, ist hinreichend verdächtig, von Politik keine Ahnung zu haben. Aber das ist ein deutsches Reservatrecht, das daraus entstand, daß, ich glaube, seit den Zeiten des seligen Humboldt überhaupt in Deutschland keine Künstlernatur jemals in der Regierung gewesen ist,..."

Und er hatte einiges zum Verhältnis des Staates zur Kunst zu sagen, was auch heutige Kulturpolltiker mit Gewinn lesen könnten: "Die Kunst kann nur gedeihen in vollkommener Freiheit. ( ... ) Der Künstler muß als Künstler Anarchist sein..." "Er sollte zum Beispiel nicht die Notwendigkeit haben, sich ewig zu wiederholen, nur um auf den Markt Ware zu werfen." "Was wir tun können, ist, die Kunst zu fördern dadurch, daß der Staat Freiheit läßt, und ich sehe auch nicht ein, warum nicht etwa der Staat auch Künstlern auf den verschiedensten Gebieten genauso durch wirtschaftliche Unterstützung die Freiheit ihrer Betätigung gibt wie anderen."

"Wir haben ja bisher ( ... ) die höchst eigentümliche Erscheinung, daß z.B. ein Literaturhistoriker, der an der Universität sitzt, ein reicher und wohlgeehrter Mann wird, und seine ganze Tätigkeit beruht auf der Ausschlachtung verhungerter Künstler:"

Die Unvereinbarkeit zwischen künstlerischer Arbeit und öffentlichem Engagement ließen in der freiheitlichen Aufbruchstimmung jener Zeit auch die Künstler für sich nicht gelten.

Im Künstlerrat ("politischer Rat geistiger Arbeiter") beteiligten sich Heinrich Mann, Rainer Maria Rilke, Oskar Maria Graf, der Dramatiker Georg Kaiser, der Dadaist Hans Richter, die Maler Georg Schrimpf, Aloys Wach, Hans Reichel und wohl auch Paul Klee sowie viele andere. Schriftsteller wie Ernst Toller, Ret Marut und Erich Mühsam übemahmen öffentliche Verantwortung.

Am 21. Februar 1919 wurde Kurt Eisner vom Verbindungsstudenten Graf Arco erschossen, der sich in seinen militaristisch-nationalistischen Kreisen beweisen wollte. Die Revolution wurde durch Mord und Terror der sogenannten weißen Truppen zerschlagen, der Aufbruch im Blut ertränkt.

Dies alles ist Grund genug, sich zu erinnern und diese Erinnerung zu nutzen für Gegenwart und Zukunft, auch das Verhältnis von Kunst und Politik betreffend.

Als im Münchner Stadtrat 1985 ein unwürdiges Gerangel um die Errichtung eines Denkmals für Kurt Eisner an der Stelle seiner Ermordung losging, entstand eine Idee, ein anderes, künstlerisches Denkmal - nicht aus Bronze oder Stein - ins Leben zu rufen.

Die Grafikmappe "Die Freiheit erhebt ihr Haupt" mit insgesamt zwanzig Grafiken von Herbert Achternbusch, Hans M. Bachmayer, Hans Baschang, Ugo Dossi, Günther Förg, Albert Hien, Rupprecht Geiger, Franz Hitzler, Karl Imhof, Clemens Kaletsch, Wolfram Kastner, Stephan Kern, Thomas Lehnerer, Urs Lüthi, Peter Mell, Gerhard Merz, Johannes Muggenthaler, Aribert von Ostrowski, Dagmar Rhodius und Bemd Zimmer erschien - herausgegeben von Wolfram Kastner und Gerhard Koitschew - zum 70. Jahrestag der Revolution in Bayern.

Der Erlös der Grafikmappe bildet das Grundvermögen der Kurt-Eisner-Kulturstiftung, die in regelmäßigen Zeitabständen einen Kunstpreis im Bereich der bildenden Kunst vergibt. Ausgezeichnet werden Künstler, die in besonderer Weise dem freiheitlichen Gedankengut Kurt Eisners verbunden sind.

Rainer Metzger

Münchner Applaus, 3/1990, Seite 56, Kunstkolumne





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