Kurt Eisner
Kulturstiftung
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Pressespiegel

AZ Feuilleton Seite 14, 3. November 1988

Unwürdiges Gerangel satt

Graphik-Mappe als lebendiges Kurt-Eisner-Denkmal

Von Kurt Eisner, dem ersten Ministerpräsidenten Bayerns, der 1918 das Land zum Freistaat ausgerufen hat, gibt es in München immer noch kein Denkmal, auch nicht an der Stelle in der Kardinal-Faulhaber-Straße, wo ihn im Februar 1919 der nationalistische Fanatiker Graf Arco erschoß. Jetzt haben 20 Künstler die Initiative ergriffen, weil sie das "unwürdige Gerangel um das Eisner-Denkmal" im hiesigen Stadtrat nicht mehr mit anschauen mochten.

Angeregt von Wolfram Kastner schufen mit ihm zusammen Achternbusch, Bachmayer, Baschang, Dossi, Förg, Hien, Geiger, Hitzler, Imhoff, Kaletsch, Kern, Lehnerer, Lüthi, Mell, Merz, Muggenthaler, von Ostrowski, Rhodius und Zimmer eine Grafikmappe zum Gedenken an Kurt Eisner.

Anlaß ist der 70. Jahrestag der Proklamation des "Freistaates Bayern" am 8. November. Die Mappe wurde in fünfzig Exemplaren aufgelegt und ist derzeit im Kunstverein (Galeriestr. 4) bis zum 27. 11. zu sehen. Sie kostet jeweils 5000 Mark. Mit dem Erlös wollen die Künstler eine Kurt-Eisner-Stiftung finanzieren, die in regelmäßigen Abständen einen Kunstpreis vergibt: Das soll sozusagen eine Art geistig-lebendiges Denkmal werden.

Kurt Eisner sagte während seiner kurzen Regierungszeit (nach der Ermordung des Ministerpräsidenten wurde die bayerische Revolution in Blut erstickt) einmal: "Die Kunst kann nur gedeihen in völliger Freiheit." Daran erinnerten sich die zwanzig heutigen Künstler und auch an den Ausspruch Heinrich Manns: "Die hundert Tage der Regierung Eisners haben mehr Ideen, mehr Freuden der Vernunft, mehr Belebung der Geister gebracht als die fünfzig Jahre vorher."

Man kann nur wünschen, daß die hochkarätige Mappe viele Freunde findet, und daß dieser Anstoß endlich auch das eigentliche, längst fällige Eisner-Denkmal befördert. Oder ist der Freistaat schon so konservativ geworden, daß er nicht mehr an den politischen Mut eines Mannes denken mag, der Sozialist war?

Peter M. Bode

AZ Feuilleton Seite 14
Donnerstag, 3. November 1988





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