Das Kuratorium verleiht Hanna Schiller (*1994 geboren in Bad Neustadt a.d. Saale) den Preis der Kurt Eisner Kulturstiftung 2025 für ihre herausragende künstlerische Praxis.
Hanna Schillers künstlerische Praxis schafft neue Verbindungen zwischen Kunst und gesellschaftlicher Realität. Ihr Werk umfasst Objekt und Installation. In diesen Arbeiten gelingt es Hanna Schiller kontinuierlich, drängende politische Themen wie etwa das Erstarken rechtsextremer Strömungen, die damit verbundene Krise der Menschenrechte in der aktuellen Migrationspolitik oder zum Beispiel strukturellen Sexismus, in hoher Reflexion einer Diskussion zugänglich zu machen. Hanna Schiller überführt derart komplexe Themen in formal sehr präzise und poetische Setzungen, die in ihrer Fragilität und Sensibilität besonders berühren. Materialien, zum Beispiel Haar, Garn und Papier, verbinden sich scheinbar selbstverständlich mit handwerklichen Techniken wie Knüpfen, Weben und Falten. Gerade die von Schiller in ihren Arbeiten erzeugte Irritation, sich in Materialsprache und Handwerk auf eher traditionell verankerte Vorstellungen bildender Kunst zu beziehen, diese jedoch andererseits thematisch mit Herausforderungen für die Zukunft unserer freiheitlichen Gesellschaft zu verbinden, schafft für unser Denken emanzipative Bewegungsräume der Reflexion. Sie sind nötiger denn je, je mehr sich in unserer Gesellschaft Ideen von Schließung, Abgrenzung und identitärer Selbstbestätigung ausbreiten.
Eine weitere Qualität der Arbeiten Schillers ist es, dass sie trotz ihrer inhaltlichen Brisanz keine einfachen Antworten auf die in ihnen aufgerufenen Fragestellungen geben. Ihre wirkmächtigen politischen Bilder belehren und agitieren nicht. Ihre Stärke verdankt sich vielmehr einer Subtilität und Komplexität, so dass sich die Arbeiten nicht in einer einzigen Dimension still stellen lassen, sondern einen vielschichtigen Zugang auf unterschiedlichen Ebenen ermöglichen.
Hanna Schillers künstlerische Arbeit entspricht besonders den Zielen der Kurt Eisner Kulturstiftung, die als lebendiges Denkmal an Kurt Eisner erinnert und Kunst fördert, die politisch Position bezieht, gesellschaftspolitische Bezüge sichtbar macht und kritisch reflektiert. Gemäß dem berühmten Zitat: "Kunst kann nur gedeihen in vollkommener Freiheit … Der Künstler muss als Künstler Anarchist sein ..." (Kurt Eisner in der Rede vor dem provisorischen Nationalrat am 3.1.1919).
Die Kurt Eisner Kulturstiftung wurde 1989 von Künstlerinnen und Künstlern in München gegründet. Anlass war die jahrelange ergebnislose Debatte um ein Denkmal für den Künstler und Politiker, der 1918 die Demokratie in Bayern unter der Bezeichnung "Freistaat" ausgerufen hat. Die Stiftung soll als lebendiges Denkmal an Kurt Eisner erinnern und seine Ziele weitertragen.
Kurt Eisner, Schriftsteller, Pazifist und Verfechter eines freiheitlichen Sozialismus, wurde 1867 als Sohn eines jüdischen Kaufmanns in Berlin geboren. Als erster Ministerpräsident Bayerns berief er politisch engagierte Künstler wie Ernst Toller und Erich Mühsam in die Regierung. Er förderte den öffentlichen Dialog zwischen Kunst und Politik in gegenseitiger Achtung als Grundlage einer freiheitlichen und friedlichen Gesellschaftspolitik. "Der Künstler muß als Künstler Anarchist sein", erklärte er in einer seiner großen Reden: "Die Kunst kann nur in vollkommener Freiheit gedeihen."
Der Preis ist mit EUR 5000,- dotiert.
München, November 2025