Preisträger 1997: Hans Haake
Hans Haacke: Standort. Merry Go Round, Skulptur. Münster 1997
Hans Haacke hat einen zylindrischen Bohlenverschlag von gut fünf Metern Durchmesser und etwa sieben Metern Höhe gebaut und am oberen Rand einen Kranz von Stacheldraht gezogenen. Drinnen dreht sich, zu den Klängen des verzerrt und hastig abgeorgelten Deutschlandliedes, ein Kinderkarussell, das der Betrachter nur flüchtig und ausschnitthaft durch die Schlitze der Bohlen zu sehen bekommt. Das Werk nimmt etwa die Dimension des danebenstehenden, 1909 errichteten Ehrenmals am Mauritztor auf, das die deutschen Siege von 1864, 1866 und 1870/71 sowie die "Neuerrichtung des Reiches" feiert. Haacke hat in dem Runddenkmal den Teufelskreis von Macht, Gewalt und Leiden erkannt und so intelligent wie sinnlich paraphrasiert - das schlagendste Beispiel dafür, dass Kunst sich nicht in Belanglosigkeiten retten muß."
Alfred Welti, in: Art 8/1997, zitiert nach Publikation der Kurt Eisner Kulturstiftung, 1999
Hans Haacke wird seinem Ruf als Provokateur und homo politicus in Münster sehr viel besser gerecht als in Kassel. Hier hat er neben dem monströsen Siegesmal aus dem Jahr 1909, von dessen Außenwand die muskulösen Hinterteile nackter Helden heruntergrüßen, ein lustig plärrendes Kinderkarussell aus der gleichen Zeit so gründlich mit Latten und Stacheldraht vernageln lassen, daß die gemalten Paradiesvögel und die munter trabenden Karussellpferdchen nur noch durch die Ritzen zu erkennen sind. Was deutsche Zucht und Ordnung anzurichten vermögen, ist da in einem sprechenden Bild zusammengefaßt.
Text:
Andreas Kaernbach
Kurator der Kunstsammlung des Deutschen Bundestages