"DIE FREIHEIT ERHEBT IHR HAUPT, FOLGT IHREM RUFE!"
Kurt Eisner
Grafikmappe zum 70. Jahrestag der Revolution
in Bayern und der Gründung des Freistaates
"DIE FREIHEIT ERHEBT IHR HAUPT, FOLGT IHREM RUFE!" (Kurt
Eisner am 18 November 1918)
Alltäglich ist es nicht gerade, wenn zwanzig Künstler, die in Bayern - man möchte sagen: trotzdem - leben, gemeinsam eine Graphikmappe herausgeben
Alltäglich ist es eher, daß jeder von ihnen seinen eigenen Weg geht und daß untereinander Gegensätze und Kontroversen nicht nur in der künstlerischen Arbeit und der persönlichen Kunstauffassung bestehen.
Als um so bemerkenswerter und dankenswerter darf die Beteiligung der Künstler und das Zustandekommen dieser Mappe in Eigeninitiative gelten, zumal Honorare und Reputation nicht zu erwarten waren
Es geht um etwas anderes.
Vor 70 Jahren, in der Nacht zum 8 November 1918. verlieh Kurt Eisner der überwiegenden Stimmung der Bevölkerung Bayerns Ausdruck und erklärte in einem Aufruf Bayern ist fortan ein Freistaat ".
Kurt Eisner, sozialistischer Politiker, Journalist und Schriftsteller, der für seinen Pazifismus in Wort und Tat im Kerker saß, wurde zum Ministerpräsidenten der Revolutionsregierung des Freistaates. Über seine Regierungszeit sagte Heinrich Mann: Die hundert Tage der Regierung Eisners haben mehr Ideen, mehr Freuden der Vernunft, mehr Belebung der Geister gebracht als die fünfzig Jahre vorher."
Als bisher einziger bayrischer Ministerpräsident hielt er im Parlament 1919 eine Rede zur Kunst und versuchte den Gegensatz zwischen Politik und Kunst zu überbrücken.
In seiner Person vereinte er beides und bemerkte "Ich bin mir darüber nicht im mindesten im Zweifel, ein deutscher Staatsmann, der im Verdacht steht, ein Gedicht machen zu können, ist hinreichend verdächtig, von Politik keine Ahnung zu haben. Aber das ist ein deutsches Reservatrecht, das daraus entstand, daß, ich glaube, seit den Zeiten des seligen Humboldt überhaupt in Deutschland keine Künstlernatur jemals in der Regierung gewesen ist...
Und er hatte einiges zum Verhältnis des Staates zur Kunst zu sagen, was auch heutige Kulturpolitiker mit Gewinn lesen konnten "Die Kunst kann nur gedeihen in vollkommener Freiheit. ( ... ) Der Künstler muß als Künstler Anarchist sein ... " " Er sollte zum Beispiel nicht die Notwendigkeit haben, sich ewig zu wiederholen, nur um auf den Markt Ware zu werfen." Was wir tun können, ist, die Kunst zu fördern dadurch, daß der Staat Freiheit läßt, und ich sehe auch nicht ein, warum nicht etwa der Staat auch Künstler auf den verschiedensten Gebieten genauso durch wirtschaftliche Unterstützung die Freiheit ihrer Betätigung gibt wie anderen."
Wir haben ja bisher (...) die höchst eigentümliche Erscheinung, daß z. B. ein Literaturhistoriker, der an der Universität sitzt, ein reicher und wohlgeehrter Mann wird, und seine ganze Tätigkeit beruht auf der Ausschlachtung verhungerter Künstler."
Die kultivierte Unvereinbarkeit zwischen künstlerischer Arbeit und öffentlichem Engagement ließen in der freiheitlichen Aufbruchsstimmung jener Zeit auch die Künstler für sich nicht gelten.
Im Künstlerrat beteiligten sich Heinrich Mann, Rainer Maria Rilke, Oskar Maria Graf, der Dramatiker Georg Kaiser, der Dadaist Hans Richter, die Maler Georg Schrimpf, Aloys Wach, Hans Reiche) und wohl auch Paul Klee, sowie viele andere. Schriftsteller wie Ernst Toller, Ret Marut und Erich Mühsam übernahmen öffentliche Verantwortung.
Am 21 Februar 1919 wurde Kurt Eisner vom Verbindungsstudenten Graf Arco erschossen, der sich in seinen militaristisch-nationalistischen Kreisen beweisen wollte.
Der Freistaat wurde durch Mord und Terror der sogenannten Weißen Truppen zerschlagen, der Aufbruch im Blut ertränkt.
Dies alles ist Grund genug, sich zu erinnern und diese Erinnerung zu nutzen für Gegenwart und Zukunft, auch das Verhältnis von Kunst und Politik betreffend
Als im Münchner Stadtrat 1985 ein unwürdiges Gerangel um ein Denkmal für Kurt Eisner an der Stelle seiner Ermordung losging, das dann zwar beschlossen, aber immer noch nicht verwirklicht wurde, entstand die Idee, ein anderes, künstlerisches Denkmal - nicht aus Bronze oder Stein - ins Leben zu rufen.
Mit dem Erlös der vorliegenden Graphikmappe wird eine Kurt-Eisner-Kulturstiftung gegründet, die in regelmäßigen Zeitabständen einen Kulturpreis im Bereich der bildenden Kunst vergibt. Ausgezeichnet werden Künstler, die in Bayern leben und in besonderer Weise dem freiheitlichen Gedankengut Kurt Eisners verbunden sind.
Die Form einer Stiftung ermöglicht es auch dem bayrischen Landtag und dem Minister für Kunst und Wissenschaft, einen freistaatlichen finanziellen Beitrag aus dem für Kulturstiftungen vorgesehenen Etat zu leisten - auch in Anerkennung der selbstlosen Arbeit der Künstler, die das Zustandekommen der Mappe und damit der Stiftung ermöglicht haben.
Besonderer Dank gilt all denen, die durch ihre unkomplizierte ideelle und finanzielle Unterstützung zum Gelingen der Graphikmappe beigetragen haben.
München, 1988
Wolfram Kastner
Herbert Achternbusch
geb.1938 in München
Lithographie, einfarbig
Hans M. Bachmayer
geb.1940
Lithographie, zweifarbig
Hans Baschang
geb.1937 in Karlsruhe
Lithographie, einfarbig
Ugo Dossi
geb.1943 in München
Lithographie, zweifarbig
Günther Förg
geb.1952 in Füssen
Lithographie, einfarbig
Rupprecht Geiger
geb.1908 in München
Siebdruck, dreifarbig
Albert Hien
geb.1956 in München
Offset, vierfarbig
Franz Hitzler
geb.1946 in Thalmassing
Lithographie, einfarbig
Karl Imhof
geb.1940 in München
Lithographie, zweifarbig
Clemens Kaletsch
geb.1957 in München
Lithographie, einfarbig
Wolfram Kastner
geb.1947 in München
Lithographie, einfarbig
Stefan Kern
geb.1955
Lithographie, zweifarbig
Thomas Lehnerer
geb.1955
Lithographie, einfarbig
Urs Lüthi
geb.1947 in Luzern
dreifarbige Graphik
(2F Lithographie, 1F Siebdruck)
Peter Mell
geb.1939 in Weimar
Lithographie, dreifarbig
Gerhard Merz
geb.1947 in Mammendorf
Offset, zweifarbig
Johannes Muggenthaler
geb. 1955
Lithographie, zweifarbig
Aribert von Ostrowski
geb.1953 in Günsterode
Lithographie, zweifarbig
Dagmar Rhodius
geb.1945 in Bayrisch Zell
Lithographie, zweifarbig
Bernd Zimmer
geb.1948 in Planegg
Lithographie. einfarbig
Die Graphikmappe erscheint in einer Auflage von 50 Exemplaren